Bettine von Arnim
„die jüngste und am wenigsten
angenehme Enkelin der Frau von LaRoche. Sie wurde stets als ein grillenhaftes,
unbehandelbares Geschöpf angesehen. Ich erinnere mich, daß sie auf Apfelbäumen
herumkletterte und eine gewaltige Schwätzerin war.“ So beschrieb 1801 der
Engländer Henry Crabb Robinson die sechzehnjährige Bettine.
Bettine war das 13. Kind des aus dem ital. Tremezzo nach
Frankfurt eingewanderten Großhandelskaufmanns Peter Anton Brentano, der
übrigens einmal einen allzu stürmischen Verehrer seiner jungen Frau
Maximiliane, namens Johann Wolfgang von Goethe aus dem Hause geworfen hatte.
Maximiliane starb, als ihre Tochter Bettine acht Jahre alt war. Bald darauf
verfügte der Vater, daß sie und drei ihrer Schwestern in das Erziehungsinstitut
des St. Ursula-Ordens in Fritzlar bei Kassel übersiedelten, wo sie vier Jahre
bis zum Einmarsch der Franzosen 1797 blieben. Danach kommt Bettine, da auch der
Vater zwischenzeitlich verstorben ist, in das Haus ihrer Großmutter Sophie von
LaRoche, einer bekannten Schriftstellerin und Herausgeberin einer Zeitschrift
und anderer Schriften. Auch Bettine beginnt zu schreiben, Geschichten über ihre
Begegnungen mit der Jüdin Veilchen, der sie beim Sticken aus Liedern von Goethe
vorliest, Briefe an ihren älteren Bruder Clemens, den künftigen prominenten
Lyriker der Heidelberger Romantik, der sich um ihre Erziehung zur Dichterin
bemüht und ihr empfiehlt zu lesen ....“meistens Goethe und immer Goethe.“ Vor
Goethe noch schwärmt sie für Mirabeau, dessen Revolutionsblätter die Großmutter
ihr nach seinem Tode zu lesen gibt. Wenige Jahre später entdeckt Bettine auf
dem Dachboden ihrer Großmutter die an ihre Mutter gerichteten Liebesbriefe des
mittlerweile weltberühmten Goethe.
Bettine hatte sich gerade mit ihrer fünf Jahre
älteren Freundin, der Dramatikerin und Dichterin Karoline von Günderrode
entzweit. Ihre enge Beziehung und ihre schwärmerischen Gefühle zu Karoline hat
sie später in einem Brieferoman festgehalten. Karoline war der Typ der
unglücklich Liebenden und hatte sich, nach studentischen Liebeleien, als
Liebespartner ausgerechnet den verheirateten Heidelberger Professor Creuzer
auserwählt, der sich jedoch für seine Ehefrau entschied, worauf sich Karoline
das Leben nahm. Die Vorbereitungen zum Selbstmord erlebt Bettine mit und
beschreibt sie später aus ihrer eigenen Sicht als eine verzweifelt Liebende.
Ihre nächste Freundin, die ihren Hunger nach Liebesbeteuerungen stillen kann,
wird Goethes Mutter Elisabeth.
1806 sucht sie in Frankfurt Elisabeth Goethe auf,
der die schwärmerische Verehrerin ihres Sohnes auf Anhieb sympathisch ist. Sie
erzählt ihr Anekdoten aus dem Leben ihres Sohnes, die von Bettine
niedergeschrieben, später dann von Goethe selbst in seine Autobiographie
„Dichtung und Wahrheit“ übernommen werden. Bettine besteht darauf, den 35 Jahre
älteren Goethe zu besuchen, droht, sich als Junge zu verkleiden und zu Fuß nach
Weimar zu laufen, sollte ihr der Wunsch verwehrt werden. Im April 1807
verbringt sie einige Stunden mit Goethe in Weimar, sie muß Eindruck auf ihn
gemacht und anschließend endgültig das Herz seiner Mutter gewonnen haben, denn
die Frau Rat schreibt ihrer jungen Freundin im Juni 1807 : Liebe – liebe
Tochter! Nenne mich ins künftige mit dem mir so teuren Namen Mutter – und du
verdienst ihn so sehr, so ganz und gar- mein Sohn sei dein inniggeliebter
Bruder – dein Freund – der dich gewiß liebt und stolz auf deine Freundschaft
ist. Meine Schwiedertochter hat mir geschrieben, wie sehr du ihm gefallen hast-
und daß du meine liebe Bettine bist, mußt du längst überzeugt sein.“ Schon wenige Monate später weilt Bettine
noch einmal – diesmal mit ihrer Familie und 10 Tage lang in Weimar bei Goethe,
auch ihrer beider Briefwechsel hat bereits eingesetzt, und als Goethe im Winter
1807/ 08 in Jena weilt und Minchen Herzlieb, die er im Hause des Verlegers
Fromman kennengelernt hat, in Sonetten besingt, verwendet er dabei wörtliche
Zitate aus Bettines Briefen an ihn.
In die Briefe und Aufmerksamkeiten, die
Bettine Goethe nun regelmäßig und machmal übermäßig schickt, bezieht sie auch
oftmals seine Frau Christiane geb. Vulpius ein, die Goethe 1806 nach achtzehn
Jahren wilder Ehe geheiratet hatte. Er hatte ihr dadurch die Aufnahme in die
vornehme Weimarer Gesellschaft ermöglicht, belegt unter anderem durch den
berühmten Ausspruch der Johanna Schopenhauer: „Ich denke, wenn Goethe ihr
seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben“, und Bettine
begriff sehr wohl, daß sie keine Chance hatte, Christiane aus der Gunst Goethes
zu vertreiben. Trotzdem konnte sie es gelegentlich nicht unterlassen, ihre
intellektuelle Überlegenheit auszuspielen, und ihr „Briefwechsel mit einem
Kinde“ weicht immer dann in besonderem Maße vom Originalschriftwechsel ab, wenn
Christiane im Spiel ist. So schrieb Goethe z. B. im September 1809 aus Jena:
„Laß uns bald wieder von dir vernehmen. Meine Frau grüßt aufs beste.“ Bettine
wandelte folgendermaßen ab: „Laß mich bald wieder von Dir vernehmen. Der Herzog
grüßt Dich aufs beste.“ – Goethes Mutter stirbt im September 1808.
In den Jahren bis 1810 reist Bettine zu und
mit ihren zahlreichen Verwandten, knüpft Kontakte zu bedeutenden Philosophen
und anderen Schriftstellern, so z.B. zu Ludwig Tieck in München, den Heinrich
Heine als einen der „tätigsten Schriftsteller der alten romantischen Schule“
bezeichnet hatte. Sie liebte seine Werke und nannte ihn einen der wenigen
Menschen, die durch seinen Geist einen bestimmenden Einfluß auf sie gehabt
hatten. Sie besuchte ihn manchmal tagelang, was sein Neffe später kritisierte:
„daß sie schon am frühen Morgen in wunderlichem Aufzug durch die Straßen und
den Leuten ins Haus gelaufen und nicht wieder wegzubringen gewesen sei.“ Als
sie in das Haus ihres Schwagers, Professor Savigny nach Landshut übersiedelt,
wird sie speziell den Studenten gegenüber „unbestrittener weiblicher
Mittelpunkt des geselligen Lebens.“ Auch dem damaligen Jurastudenten und
späteren stellvertretenden Bayerischen Innenminister Max Prokop von Freyberg,
der sie ein Leben lang verehrte, schwor sie ewige briefliche Treue. Neben
Literatur beschäftigt sie sich mit Musik. Sie hat eine gute Altstimme, schreibt
einige kleinere Musikstücke, vor allen Dingen aber knüpft sie Kontake zu den
Größen der Musikscene. Sie trifft Beethoven, der 1809 bis 1810 den Auftrag
ausführt, Goethes Egmont zu vertonen, in Wien und hat ihn wohl beeindruckt.
Ihre Behauptung, der 15 Jahre ältere Beethoven hätte ihr einen Heiratsantrag
gemacht, ist nicht belegt, und das ihm unterstellte „Sonett an Bettine“ hat sie
selbst geschrieben, wohl aber schrieb er ihr zumindest einen Brief.
Im Traumland eines Salons trifft Bettine 1810
die Jüdin Rahel, damals noch mit selbstgewähltem Nachnamen Robert, mit der sie
eine lange, nicht ganz spannungsfreie Freundschaft verbindet, geknüpft durch
das gemeinsame Interesse an sozialen und politischen Problemen und die
Verehrung Goethes. Einige Briefe, die Rahel ihrem späteren Mann Karl August
Varnhagen von Ense über Goethe schreibt, werden von diesem pseudonym
publiziert. Bettine erscheint Rahel von allen, die sie kennt, „die geistreichste
Frau“ und umgekehrt bekennt Bettine, daß sie von Rahel zu tieferem Eindringen
in ihr Wesen gereizt worden sei. Nach Rahels Tod hilft sie Varnhagen beim
Zustandekommen des Buches „Rahel: Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde“, das
auch zur Inspirations ihres eigenen Goethe - Brieferomans beiträgt.
Im Frühjahr 1811 heiratet Bettine, 26 jährig,
den 32 Jahre alten Schriftsteller Achim
von Arnim, dessen in Briefform geschriebenes Erstlingswerk „Hollin`s
Liebeleben“ stark von Goethes „Werther“ beeinflußt war. Durch ihren Bruder
Clemens hatte Bettine den von diesem schwärmerisch geliebten „göttlichen Achim“
kennengelernt. Die Worte, die Clemens an ihn schrieb „...da brichst Du aus dem
Felsen zu mir her, Du Freudenstrahl, Du klingend Wasser, und erlabst mich“,
rücken die Briefe Bettines an Goethe in das Licht der damaligen Zeit.
Noch vor der Verlobung widmete Achim Bettine
sein berühmtestes Frühwerk, die Novellensammlung „Der Wintergarten“; gemeinsam
mit Clemens stellte er 1806 – 1808 die dreibändige Sammlung „Des Knaben
Wunderhorn“ mit 600 deutschen Volksliedern zusammen.
Kaum verheiratet, schreibt Bettine an Goethe,
daß sie ihn bald wiedersehen werde. Dazu kommt es im Sommer 1811. Bedingt durch
Schwangerschaftsbeschwerden verzögert sich ihre Abreise aus Weimar, sie
verbringt einige Zeit im Hause Goethe, was zu Spannungen speziell mit seiner
Frau Christiane führt. Da kommt es in einer Gemäldeausstellung des Goethe
Freundes Johann Heinrich Meyer zum Krach. Der Weimarer Klatsch wußte
anschließend zu berichten, Bettine habe sich abfällig gegenüber den Werken von
„Kunschtmeyer“ geäußert, worauf ihr Christiane die Brille von der Nase gerissen
und Bettine die zwanzig Jahre ältere und etwas füllige Frau Geheimrat, als
„wahnsinnige Blutwurst“ tituliert habe. Tatsache ist, daß Goethe Bettine und
ihrem frisch angetrauten Ehemann Achim von Arnim fortan das Haus verbietet. Als
er das Ehepaar ein Jahr später in Bad Teplitz trifft, nimmt er von ihnen, wie
er an seine Frau schreibt, nicht die mindeste Notiz. „Ich bin sehr froh“, so
schreibt er, „daß ich die Tollhäusler los bin.“ Flehentliche Briefe, in denen
Bettine ihn um erneute Kontaktaufnahme bittet, läßt er unbeantwortet.
Eigentlich hatte Bettine in den folgenden
Jahren genug zu tun. Von 1812 bis 1815 brachte sie drei Söhne zur Welt, denen
sie die Namen altgermanischer Helden gab, für die man sich nach der Zeit des
romantischen Radikalismus wieder interessierte – Freimund, Siegmund, Friedmund
- und sie antiautoritär erzog. Achim
lebte oft auf Wiepersdorf, dem Gut seiner Großmutter und Bettine mit den
Kindern in Berlin. Nicht so ganz einsam, wie Berichte aus den Salons beweisen:
Schleiermacher, Autor und Professor für Religionswissenschaft an der Berliner
Universität war irritiert durch ihre Zwanglosigkeit, so irritiert, daß er ihr
einmal seine mehr als christliche Liebe anbot. Sie hüpfte trällernd durch den
Salon, spielte Ball mit den Äpfeln, sprang über Sessel. Einmal ließ sie Fürst
Pückler als Besucher anmelden, kam dann aber selber, nur um zu sehen, welche Gesichter
die Leute machten. Ein ander Mal legte sie sich auf einer Gesellschaft dem
Stabschef von Feldmarschall Blücher zu Füßen und blieb dort so bis der letzte
Gast gegangen war. Von Achim hieß es, er laufe aus einem Salon fort, wenn seine
Frau Mittelpunkt eines huldigenden Kreises sei.
1817 kommt Sohn Kühnemund zur Welt, 1818
Tochter Maximiliane, dann 1821 noch Armgard und 1827, als Bettine bereits 42
Jahre alt ist, Gisela. Das Einkommen Achims aus landwirtschaftlicher und
schriftstellerischer Tätigkeit ist solchen Belastungen kaum mehr gewachsen.
Bettine liebt das Landleben nicht, es langweilt sie, sie besteht auf einer
Wohnung in Berlin. Dort findet sie neben ihren übrigen Arbeiten noch Zeit für
das damals noch verpönte Aktzeichnen. Ihre „Reiterskizze zum Octoberfest“, eine
Zeichnung von vier nackten Männern zu Pferde entzückte 1830 Ludwig I. von
Bayern.
Das Ehepaar von Arnim lebt für immer längere
Zeit getrennt. In Bettines Briefen steht neben den Berichten über die Kinder
die Sorge um das tägliche Brot im Vordergrund: „Die Butter war so gut, daß sie
in der Zeit von zwei Tagen alle fort war. Wir haben gar nichts mehr. Die Eier
sind auch fort.“ Manchmal, insbesondere wenn sie über Feiertage alleine war,
schreibt sie auch bittere Worte: ...„ich mache keine Ansprüche an Deine
Zärtlichkeit, denn ich war nicht das Ideal, dem Du Dich aus Leidenschaft
ergeben hast. Aber mich wundert`s, daß Dir Dein kleinstes Kind nicht lieb genug
ist, um Wort zu halten.“ Achim ist oft unterwegs, seine landwirtschaftlichen
Produkte abzusetzen, auch Bettine verhökert Eier, Brot Butter und Mehl, die per
Fahrzeug angeliefert werden. Aber Achims Güter sind überschuldet, 1829 ist die
Geldnot so groß, daß es nicht einmal für Weihnachtsgeschenke reicht, 1831
stirbt Achim von Arnim, 62jährig an einem Nervenschlag.
1831 ist auch das Jahr der Cholera in Berlin.
Gemeinsam mit Schleiermacher zeigt Bettine christliches und soziales
Engagement, macht Krankenhausbesuche, verteilt Decken und andere Dinge an
Bedürftige. Als Schleiermacher 1833 stirbt, fürchtet Bettine ihren letzen
Freund verloren zu haben.
Ein Jahr zuvor war bereits Goethe gestorben.
Die von Bettine erhoffte Versöhnung hatte es nicht mehr gegeben. Zwar ließ Goethe ab 1821 wieder einige Besuche
Bettines in seinem Hause zu- drei Jahre nach dem Tode seiner Frau, wobei
möglicherweise ihre Entwürfe zu einem Goethe- Denkmal, für seinen 70 sten
Geburtstag der Anlaß war. Aber trotz ihrer leidenschaftlichen Bitte von
Sylvester 1823 „lasse das Geheimnis der Liebe noch einmal zwischen uns erblühen“,
bleibt Goethe distanziert, zumal er sich in die 19jährige Ulrike Levetzow
verliebt und ihr vermutlich sogar einen Heiratsantrag gemacht hat. Zudem war
ihm ihre aufdringliche Zuneigung, die nicht nur gab sondern auch forderte
zunehmend lästig. 1826 schreibt er an den Herzog Carl August: „Diese leidige
Bremse ist mir als Erbstück von meiner guten Mutter schon viele Jahre sehr
unbeqem. Sie wiederholt dasselbe Spiel, das ihr in der Jugend allenfalls
kleidete, wieder, spricht von Nachtigallen und zwitschert wie ein Zeisig.“ Am
7. August 1830 schließlich trägt Goethe in sein Tagebuch ein: „Frau von Arnims
Zudringlichkeit abgewiesen.“
Nach Ablauf ihres Trauerjahres für ihren
verstorbenen Mann trifft Bettine im Berliner Salon des Verlegers Varnhagen auf
den ihr gleichaltrigen Herrman Fürst Pückler, der durch seinen Roman „Briefe
eines Verstorbenen“ Ruhm als Schriftsteller erlangt hatte. Er animiert sie zur
Veröffentlichung ihrer Goethe –Briefe. Das fertige Manuskript schickt sie ihm –
mittlerweile 50-jährig und drei Jahre nach dem Tod von Goethe - mit den Worten:
„Goethes Briefwechsel mit einem Kinde. So ist der Titel meines Buches. Ach, es
ist so zierlich, so unschuldig, so feurig, so bescheiden, so kühn, so naiv, so
inspiriert; wie sollte das nicht erfreuen!“ So war es auch in der Tat. Die
erste Auflage von schätzungsweise 5000 Exemplaren wurde innerhalb des ersten
Jahres fast ganz abgesetzt. Eine
Übersetzung ins Französische glückt, auch in Rußland entflammen einige
Intellektuelle für Bettines Werk. Da sie mit der englischen Übersetzung nicht
einverstanden ist, übersetzt sie selber, nachdem sie sich in einem Crash-Kurs
die englische Sprache beigebracht hat. Die Aufnahme des Werkes in England
leidet somit neben der Prüderie des beginnenden Viktorianischen Zeitalters
unter zum Teil grotesken Formulierungen. Die 7000 gedruckten Exemplare bleiben
weitgehend Makulatur.
Im Jahr 1835 trifft Bettine ein harter
Schicksalsschlag: Ihr Sohn Kühnemund, das „Urbild eines deutschen Jünglings“,
verunglückt 18-jährig bei einem Badeunfall. Er war das einzige ihrer Kinder,
das ihr genommen wurde, was in einer Zeit hoher Kindersterblichkeit sicher
außergewöhlich war. Sie förderte die Gesundheit ihrer Kinder mit damals noch
unüblichen Mitteln, kaufte immer ein paar Scheffel Äpfel extra und sorgte für
ihre Körperertüchtigung.
In den folgenden Jahren kümmert sich Bettine
um den literarischen Nachlaß ihres Mannes -
drei Ausgaben zu je 20 Bänden bringt sie ab 1839 heraus, mit Hilfe ihres
langjährigen Freundes Wilhelm Grimm, für den Arnim einst die Drucklegung von
Grimm`s Märchenbüchern veranlaßt hatte, und zeigt besonders an Arnims
Hauptwerk „Die Kronenwächter“ ihre
Begabung, in Bildern zu sprechen. Zudem betätigt sie sich politisch. Es ist ihr
Verdienst, daß die zu den Göttiger Sieben gehörenden Jakob und Wilhelm Grimm
nach ihrer Verbannung und späteren Rehabilitierung 1840 wieder einen Ruf an die
Berliner Universität annehmen. Die Fäden dazu spinnt sie aus ihrem Berliner
Domizil Unter den Linden 21. – Hierzu ein Exkurs: Im Sommer 1837 war die
Personalunion zwischen dem Königreich Großbritannien und Hannover beendet. Der
neue hannoversche Herrscher löste die Ständeversammlung auf und schaffte das
Grundgesetz ab. Sieben Göttinger Professoren, unterstützt vom Göttinger
Studentenbund, protestierten gegen den Verfassungsbruch, wurden abgesetzt und
verbannt.
Bettines nächste Aktion gilt dem italienischen
Musiker Spontini, den Friedrich Wilhelm III nach Berlin geholt hatte. Er war
Komponist von „Heil Dir im Siegerkranz“ (Diese Bemerkung trifft sicher nicht zu. Wir wurden darauf aufmerksam gemacht durch Katja Schmidt-Wistoff. Siehe dazu die Mails vom 7. und 26. März 2003) und einigen heroischen Opern mit fremdländischen Sujets, die im Gegensatz zu den in Deutschland favorisierten romantischen Opern von der Art des Freischütz standen. Durch ein Mißverständnis wird Spontini der Majestätsbeleidigung angeklagt. Bettine findet seine Oper zwar langweilig, aber sie solidarisiert sich mit ihm. Ihr Brief an Spontini
wird im Mai 1841 in allen Zeitungen abgedruckt, womit sie die Aufmerksamkeit
von Karl Marx erregt- er ist damals ungefähr so alt wie ihr ältester Sohn.
Spontini wird begnadigt; ob sich Bettine und Marx auch persönlich getroffen
haben, ist umstritten.
Bettine bewegt sich weiter vorwärts in
politischen und künstlerischen Kreisen: 1843 publiziert sie anonym ein Buch,
das sie – nach entsprechender Erlaubnis – König Wilhelm IV. widmet. Dieses „Königsbuch“
enthält deutliche Appelle zur Umverteilung...“So mach er statt Luxusanlagen von
Tempel und Grotte und tanzenden Wassern Anlagen für Heimatlose.....den
englischen Rasen teil er aus zu Feldern für Kartoffeln und Brot, und er ist ein
Edelmann.“ Dieses und ihr folgendes Buch „Clemens Brentanos Frühlingskranz“
wird heftig zensiert. Es folgt eine Armenaktion zugunsten von Bedürftigen, über
die am 15.Mai 1844 die Magdeburgische
Zeitung folgenden Aufruf
veröffentlicht: „Bekanntlich hat die geniale Frau Bettina von Arnim den schönen
und rühmlichen Entschluß gefaßt, dem Armenwesen in Deutschland ihre besondere
Aufmerksamkeit und Tätigkeit zu widmen. ...Zur Förderung dieses Werkes der
Menschenliebe sind wir nun ermächtigt, in diesen Blättern einen Aufruf an alle,
welche über den Zustand des Armenwesens in Gemeinden, Kreisen, Bezirken,
Provinzen u.s.w. des gesammelten Deutschen Vaterlandes genaue Auskunft zu geben
vermögen, der Frau Bettina von Arnim getreue Berichte darüber zukommen zu
lassen. ..“ Als am 9. Juni die Nachricht vom Weberaufstand Berllin erreicht,
beschuldigt der Innenminister Bettine als Ursache des Aufstandes.
Es sind unruhige Zeiten: Am 26. Juli 1844
schießt Heinrich Ludwig Tschech im Berliner Schloßhof auf das Königspaar,
trifft aber nur den Mantel des Königs. Die Tat wird vom Emigrantenblatt
„Vorwärts!“ als das einzige stichhaltige Argument gegen den Absolutismus
bezeichnet. Bettine will an den König schreiben, um Begnadigung bitten.
Vergebens. Tschech wird mit dem Beil hingerichtet, die Gnade besteht darin, daß
er vorher nicht noch gerädert wird.
1845 organisieren Marx und Engels im
industrialisierten Wuppertal die später verbotenen sozialistischen
Versammlungen Deutschlands. Zur gleichen Zeit wird Louis von Mieroslawski, der
den Aufstand in Posen geleitet hatte, verhaftet und ins Moabiter
Staatsgefängnis gesetzt. Bettine schreibt Bittbriefe zu seiner Freilassung an
König Friedrich Wilhelm IV, die dieser aber zurückweist. Mieroslawski wird
befreit und trotzt dem König die nationale Reorganisation Polens ab. Auch für
Gottfried Kinkel, den Sekretär der Kaiserslauterner Revolutionsregierung, der
zum Tode verurteilt worden war, läßt Bettine von ihrer Tochter Gisela dem König
eine Bittschrift überreichen. Kinkel wird begnadigt und später aus dem
Gefängnis befreit. 1848 engagiert sich Bettine in der politischsten ihrer
Schriften für die Freiheit Polens. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 63 Jahre alt.
Glücklicherweise bescheren ihr in diesen
Zeiten die künstlerischen Seiten auch angenehmere Momente: Als 1843 im
Potsdamer Neuen Palais Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit Ouverture und
Zwischenmusik von Felix Mendelssohn Bartholdy stattfindet, ist sie als Gast des
Königs zugegen. 1853 trifft sie in Düsseldorf den jungen Johannes Brahms, der
ganz verliebt war in sie und ihre Tochter Gisela und Bettine bald darauf ein
Liederheft widmete. Zur gleichen Zeit begegnet sie Robert Schumann, der sich
von ihr so beeindruckt zeigt, daß er ihr seine „Gesänge in der Frühe“, sein
letztes Werk für Klavier widmet. Als Schumann bald darauf in den Wahnsinn
verfällt und sich am Rosenmontag 1854 in den Rhein wirft, kümmert sie sich nach
seiner Einweisung in die Irrensanstalt in Endenich bei Bonn um ihn und bittet
für ihn um einen Ort, wo er Musik hören und seine Kinder sehen kann. Seine Frau
Clara lehnt das Gesuch ab. Schumann verhungert in der Tobezelle.
Die letzten Jahre werden ruhiger und
gesundheitlich schwieriger. Bettine hat in Berlin eine Villa gemietet, In den
Zelten 5, dem Standort der heutigen Kongresshalle. Dort erleidet sie einen
Schlaganfall, das Gehen fällt ihr schwer, sie wird immer stiller. Freunde
kommen in ihr Haus und musizieren für sie. Am 19. Januar 1859 stirbt Bettine.
Ihre Kinder haben sie so gebettet, daß ihr Blick auf die Büste von Goethe und
ein Bild Achims fällt. Aufgebahrt wird sie unter dem Modell ihres
Goethe-Denkmals. Fast möchte man vor Erleichterung aufatmen, daß sie endlich
ihre Ruhe gefunden hat.
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