Parodistische Portraits

 

Jean Paul

 

Johann Paul Friedrich Richter (1763-1825)

geb. 1763 in Wunsiedel/Fichtelgebirge, Vater: Lehrer, Organist, später Pfarrer

Ab 1781 durch Privatunterricht finanziertes Studium der Theologie, dann Philosophie in Leipzig

1784 Abbruch des Studiums aus finanziellen Schwierigkeiten

Arbeit als Hauslehrer auf Schloß Töpen

1790 gründet er eine Elementarschule in Schwarzenbach, die er bis 1794 leitet

1796 auf Einladung der Charlotte von Kalb und 1798-1800 in Weimar, Freundschaft mit Herder, von Goethe und Schiller mit Distanz behandelt

ab 1800 in Berlin, 1801 Heirat mit Karoline Mayer

ab 1804 ständig in Bayreuth, ab 1808 Jahresgehalt von Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg, später von der bayr. Regierung

gest. 1825 in Bayreuth

 

a) Jean Pauls Roman ‚Flegeljahre‘ (1804/05) gibt dem Briefwechsel Varnhagens zufolge die Anregung zum Romanprojekt Varnhagens und Neumanns: Die Zwillingsbrüder Walt und Vult fassen den Entschluß, einen Doppelroman zu schreiben, Hoppelpoppel oder das Herz. Vult: „Was kann ich nun dabei machen? Ich allein Nichts; aber mit dir viel, nämlich ein Werk. Ein paar Zwillinge müssen, als ihr eigenes Widerspiel, zusammen einen Einling, Ein Buch zeugen, einen trefflichen Doppelroman. Ich lache darin, du weinst dabei oder fliegst doch,  – du bist der Evangelist, ich das Vieh dahinter – jeder hebe den andern – alle Parteien werden befriedigt, Mann und Weib, Hof und Haus, ich und du... Und was sagst Du nun zu diesem Projekt und Mühlengang – wodurch wir beide herrlich den Mahlgästen Himmelsbrod verschaffen können und uns Erdenbrod, was sagst du zu dieser Musenroßmühle?“ Flegeljahe 1, Bändchen Nr. 14.

 

b) Darüber hinaus wird Jean Paul als Figur im 15. Kapitel der ‚Versuche und Hindernisse Karls‘ eingeführt (S. 185). Zunächst wird er nicht namentlich benannt, zeichnet sich jedoch durch seine Sprache aus, die an die Jean Paul’sche Prosa erinnert. Die Auffassung von Sprache als individueller Ausdruck zur Identifizierung und Charakterisierung des Subjekts, wird einmal mehr im „Steckbrief“ Jean Pauls verdeutlicht, mit dem er sich selbst sucht: „Weh mir ich muß auch klagen zu Euch, ihr Sterne, denn ich habe mich selbst verloren! Obrigkeiten! Wer kennt sich selbst genug, daß er sich beschreiben könnte? Aber die Sprache ist des Menschen ewiges Kennzeichen – seht so spreche ich – wenn ihr mich reden hört, haltet mich fest und bringt mich zu mir selbst. Jean Paul“ S. 197.

 

 

 

       

Focks (Johann Heinrich Voß)

 

geb. 1751 in Sommersdorf bei Waren/Mecklenburg

1769 Hauslehrer in Ankershagen

1772 Studium der Theologie, dann Philologie und Literaturwissenschaft in Göttingen

1775 Redakteur des ‚Göttinger Musenalmanachs‘

ab 1778 Rektor

1786 Hofrat

nach Pensionierung 1802 Privatgelehrter in Jena

1805 Umzug nach Heidelberg

gest. 1826 in Heidelberg

 

Dichter und Übersetzer: In seinen Idyllen Versuch das bürgerliche Privatleben durch den Hexameter zu homerischer Würde und klassischer Harmonie zu stilisieren. Als Homer-Übersetzer Versuch der Übertragung der antiken Prosodie auf die dt. Sprache. Seit den 70er Jahren strenge prinzipientreuer Verfechter einer klassizistischen Haltung, der die Antike (Homer) als zeitloses Ideal aller Dichtung gilt. Angriffe gegen die Heidelberger Romantiker (Brentano, Arnim, Görres, Creuzer).

 

 

Die Figur des Focks wird wie die Figur Jean Pauls im 15. Kapitel der ‚Versuche und Hindernisse Karls‘ eingeführt. Er wird von der Gräfin dazu aufgefordert, eine Einladung in Versen an seinen Freund Striezelmeier zu verfassen. Diese Einladung parodiert die Voß’sche Schreibweise in Hexametern, ebenso wie die Tendenz ‚banale‘ Umstände des bürgerlichen Lebens künstlich zu überhöhen: „Striezelmeier, im Wald hinrieselet flüchtige Quellflut. / Im Fortlaufe genannt von dem Bauernvolke der Sumpfbach, / [...]. S. 194.

 

 

 

Die Auseinandersetzung mit ‚Klassik‘ in den ‚Versuchen und Hindernissen Karls‘

 

Die Betrachtung der parodistischen Portraits ergibt, daß der Roman als Versuch gelesen werden kann, sich gegenüber den zeitgenössischen literarischen Tendenzen sowohl literaturkritisch wie literarisch zu verorten. Die starke Anlehnung in der Grundkonzeption des Romans an die Werke Jean Pauls zeigt trotz der Parodie auf den Dichter als historische Person (die von Jean Paul Varnhagen zufolge positiv und wohlwollend aufgenommen wurde) eine literarische Wertung zugunsten einer Schreibweise im Stil Jean Pauls.

 

Als Gegensatz wird die klassizistische Literaturauffassung Voß’scher Provenienz als gekünstelt, ihr Sujet überhöhend und aufgrund ihrer Regelhaftigkeit schnell reproduzierbar dargestellt. Sie erscheint als nachahmbar und lehrbar.

 

Vgl. hierzu Jean Paul selbst: „Das Höchste der Form, oder Darstellung, als einer klassischen, kann auf zweierlei Weise falsch genommen werden. Das gemeine (Schreib- und Lese-) Volk, unempfänglich für die poetische Vollkommenheit und Darstellung, will gern die grammatische – durch den Sprung von Werken in toten Sprachen, wo jedes Wort entscheidet und befiehlt, auf Werke in lebendigen – zum Ordenssterne des Klassischen machen. Dann wäre aber niemand klassisch, als einige Sprach- und Schulmeister, kein einziger Genius; die meisten Franzosen sind dann klassisch, wenige Männer, wie Rousseau und Montaigne, ausgenommen, und jeder könnte klassisch werden lernen.“ Aus: Vorschule der Ästhetik, 3. Abt. Miserikordias-Vorlesung für Stylistiker, 4. Kap. In: Sämtliche Werke, 1841, 19, S. 28f. 


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