a) Jean Pauls Roman ‚Flegeljahre‘ (1804/05) gibt dem
Briefwechsel Varnhagens zufolge die Anregung zum Romanprojekt Varnhagens und
Neumanns: Die Zwillingsbrüder Walt und Vult fassen den Entschluß, einen
Doppelroman zu schreiben, Hoppelpoppel oder das Herz. Vult: „Was kann ich nun
dabei machen? Ich allein Nichts; aber mit dir viel, nämlich ein Werk. Ein paar
Zwillinge müssen, als ihr eigenes Widerspiel, zusammen einen Einling, Ein Buch
zeugen, einen trefflichen Doppelroman. Ich lache darin, du weinst dabei oder
fliegst doch, – du bist der Evangelist,
ich das Vieh dahinter – jeder hebe den andern – alle Parteien werden
befriedigt, Mann und Weib, Hof und Haus, ich und du... Und was sagst Du nun zu
diesem Projekt und Mühlengang – wodurch wir beide herrlich den Mahlgästen
Himmelsbrod verschaffen können und uns Erdenbrod, was sagst du zu dieser
Musenroßmühle?“ Flegeljahe 1, Bändchen Nr. 14.
b) Darüber hinaus wird Jean Paul als Figur im 15. Kapitel
der ‚Versuche und Hindernisse Karls‘ eingeführt (S. 185). Zunächst wird er
nicht namentlich benannt, zeichnet sich jedoch durch seine Sprache aus, die an
die Jean Paul’sche Prosa erinnert. Die Auffassung von Sprache als individueller
Ausdruck zur Identifizierung und Charakterisierung des Subjekts, wird einmal
mehr im „Steckbrief“ Jean Pauls verdeutlicht, mit dem er sich selbst sucht:
„Weh mir ich muß auch klagen zu Euch, ihr Sterne, denn ich habe mich selbst
verloren! Obrigkeiten! Wer kennt sich selbst genug, daß er sich beschreiben
könnte? Aber die Sprache ist des Menschen ewiges Kennzeichen – seht so spreche
ich – wenn ihr mich reden hört, haltet mich fest und bringt mich zu mir selbst.
Jean Paul“ S.
197.
Focks (Johann Heinrich Voß)
Dichter und Übersetzer: In seinen Idyllen Versuch das
bürgerliche Privatleben durch den Hexameter zu homerischer Würde und
klassischer Harmonie zu stilisieren. Als Homer-Übersetzer Versuch der
Übertragung der antiken Prosodie auf die dt. Sprache. Seit den 70er Jahren
strenge prinzipientreuer Verfechter einer klassizistischen Haltung, der die
Antike (Homer) als zeitloses Ideal aller Dichtung gilt. Angriffe gegen die
Heidelberger Romantiker (Brentano, Arnim, Görres, Creuzer).
Die Figur des Focks wird wie die Figur Jean Pauls im 15.
Kapitel der ‚Versuche und Hindernisse Karls‘ eingeführt. Er wird von der Gräfin
dazu aufgefordert, eine Einladung in Versen an seinen Freund Striezelmeier zu
verfassen. Diese Einladung parodiert die Voß’sche Schreibweise in Hexametern,
ebenso wie die Tendenz ‚banale‘ Umstände des bürgerlichen Lebens künstlich zu
überhöhen: „Striezelmeier, im Wald hinrieselet flüchtige Quellflut. / Im
Fortlaufe genannt von dem Bauernvolke der Sumpfbach, / [...]. S. 194.
Die Auseinandersetzung mit
‚Klassik‘ in den ‚Versuchen und Hindernissen Karls‘
Die Betrachtung der parodistischen Portraits ergibt, daß
der Roman als Versuch gelesen werden kann, sich gegenüber den zeitgenössischen
literarischen Tendenzen sowohl literaturkritisch wie literarisch zu verorten.
Die starke Anlehnung in der Grundkonzeption des Romans an die Werke Jean Pauls
zeigt trotz der Parodie auf den Dichter als historische Person (die von Jean
Paul Varnhagen zufolge positiv und wohlwollend aufgenommen wurde) eine
literarische Wertung zugunsten einer Schreibweise im Stil Jean Pauls.
Als Gegensatz wird die klassizistische
Literaturauffassung Voß’scher Provenienz als gekünstelt, ihr Sujet überhöhend
und aufgrund ihrer Regelhaftigkeit schnell reproduzierbar dargestellt. Sie
erscheint als nachahmbar und lehrbar.
Vgl. hierzu Jean Paul selbst: „Das Höchste der Form, oder
Darstellung, als einer klassischen, kann auf zweierlei Weise falsch genommen
werden. Das gemeine (Schreib- und Lese-) Volk, unempfänglich für die poetische
Vollkommenheit und Darstellung, will gern die grammatische – durch den Sprung
von Werken in toten Sprachen, wo jedes Wort entscheidet und befiehlt, auf Werke
in lebendigen – zum Ordenssterne des Klassischen machen. Dann wäre aber niemand
klassisch, als einige Sprach- und Schulmeister, kein einziger Genius; die
meisten Franzosen sind dann klassisch, wenige Männer, wie Rousseau und
Montaigne, ausgenommen, und jeder könnte klassisch werden lernen.“ Aus:
Vorschule der Ästhetik, 3. Abt. Miserikordias-Vorlesung für Stylistiker, 4.
Kap. In: Sämtliche Werke, 1841, 19, S. 28f.
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