Entstehungsgeschichte und Aufnahme der
‘Versuche und Hindernisse Karls’
Projekte
kollektiver Autorschaft sind in der Romantik häufig und haben sich gegenseitig
beeinflußt. So schreibt Justinus Kerner an Varnhagen: „Als Du fortwarst, hab
ich und Uhld. noch à la Carl innerhalb 8 Tagen ein scherzhaftes Singspiel
verfertigt, das ‘der Bär’ heißt.“[1] Die Anregung zu „Die Versuche und Hindernisse
Karls" hat wiederum Jean Pauls Roman „Flegeljahre" (1804/05) gegeben.
In ihrem Briefwechsel bezeichnen Neumann und Varnhagen ihr Projekt als
„Doppelroman“. Dieser Begriff ist eine Wortschöpfung Jean Pauls, der in
„Flegeljahre“ die Protagonisten Walt und Vult gemeinsam ein Werk schreiben läßt,
in dem sie sich in ihrer Gegensätzlichkeit ergänzen. Varnhagen selbst weist in
seinen „Denkwürdigkeiten“ auf diesen Zusammenhang hin (II,14.f): „Zwischen
unseren geistigen Arbeiten und geselligen Scherzen drängte sich noch eine
besondere Tätigkeit hervor, welche beide Elemente in ein gemeinsames Erzeugnis
gestaltend vereinigte. Unsere Studien, gespräche und Erholungen, so reichhaltig
und lebhaft sie auch sein mochten, blieben doch, ohne den Zuschuß der
Vorlesungen, gleichsam verwaist, konnten kaum unsre Zeit ganz erfüllen, aber
bei weitem nicht unsere Triebe und Kräfte, welche viel größere Ansprüche
machten, als wir selbst befriedigen konnten. Daß wir in diesem Zustande die
Dichter nicht zu lesen vergaßen, versteht sich von selbst, wir lebten ebensosehr
mit den Gestalten ihrer Welt als mit denen der wirklichen. Da regte sich der
Eifer eigenen Hervorbringens, und, durch Jean Pauls Flegeljahre, die uns wie
alle Schriften dieses Autors sehr anzogen, gerieten Neumann und ich auf den
Einfall, gemeinschaftlich einen Roman zu schreiben.“[2]
Die
„Versuche und Hindernisse Karls" wurden kapitelweise im Salon vorgelesen
und gleichzeitig wurde daran weitergeschrieben. Der Briefwechsel Varnhagens
zeigt, wie sehr unter den Autoren am Fortkommen oder auch Steckenbleiben des
Romans (besonders wird Neumanns „unsägliche verdrießliche Schreibescheu“[3] von
Varnhagen kommentiert) Anteil genommen wurde. Das gebildete Publikum dieser
Zeit konnte viele Personen des öffentlichen Lebens im Roman wiedererkennen.
Gegenseitige Beeinflussung von Lesern und Autoren war nicht nur nicht zu
vermeiden, sondern gewollt.
Ebenso
sind finanzielle Aspekte und der Wunsch nach Ruhm und Ehre als Schreibanlaß des
Romans zu mitzudenken. Die Entstehung des Projekts war in der einschlägigen
Szene bekannt und in den Rezensionen wurden die Autoren namentlich erwähnt,
obwohl der Roman anonym erschien. In verschiedenen Briefwechseln finden sich
Hinweise auf „Die Versuche und Hindernisse Karls“. So weist Wilhelm seinen
Bruder Jacob Grimm auf den Roman hin: „Es ist vor kurzem ein Roman
herausgekommen: Karls Hindernisse, woran der ganze Kreis dieser hiesigen
Dichter gearbeitet und jeder ein Paar Kapitel geschrieben, es ist in der
Marnier des Wilhelm Meisters und einiges ist recht gut, z.B. was Fouqué
geschrieben, ich nenne es Dir, weil es auch durch seine Anspielungen
interessant ist. Der Reichardtische Garten kommt darin vor, Louise, über die es
schlimm hergeht. Johannes Müller wird sehr gut parodiert und Voß.“[4] Die
Resonanz des Marktes auf das Buch war jedoch für die Autoren enttäuschend
gering.
[1] In: Briefe, Urteile und Rezensionen über ‘Die
Versuche und Hindernisse Karls’. 1807-1852. In: Der Doppelroman der Berliner
Romantik. 2. Bd. Hg. v. Helmuth
Rogge. Leipzig 1926. S. 146.
[2]
Zit. nach: Der Doppelroman der Berliner Romantik. Hg. v. Helmuth Rogge. 2. Bd. Leipzig 1926.
S. 271.
[3] In: Briefe, Urteile und Rezensionen über ‘Die
Versuche und Hindernisse Karls’. 1807-1852. In: Der Doppelroman der Berliner
Romantik. 2. Bd. A.a.O. S. 120.
[4] Ebd. S. 151.